Faktensammlung zur Mainkai-Öffnung
von Ansgar Hegerfeld, Vorstandsmitglied des ADFC Frankfurt und aktiv im Kernteam des Radentscheid Frankfurt
Aktueller Stand (August 2021)
Die einjährige testweise Sperrung des Mainkais für den Auto- und LKW-Verkehr ist im August 2020 zunächst ausgelaufen.
Jetzt wurden unter Wegfall der dritten Fahrspur – in Übereinstimmung mit dem Koalitionsvertrag von Grünen/SPD/FDP/Volt – auf beiden Seiten breite Radstreifen markiert und rot eingefärbt. Zudem gilt jetzt Tempo 30.
Noch in diesem Jahr soll zunächst eine Autofreiheit an den Wochenenden, abends/nachts, sowie ab 2022 auch in den Schulferien folgen. Im Rahmen eines Gesamtkonzepts erfolgt dann noch in dieser Legislaturperiode die komplette Öffnung für den Rad- und Fußverkehr. Dazu wird auch ein Freiraum- und Gestaltungskonzept entwickelt (siehe Koalitionsvertrag).
So sind die Fakten
Stand 2019
Ist die Öffnung des Mainkais eine Maßnahme des Radentscheids?
Ist die Mainkai-Öffnung eine Radverkehrsmaßnahme?
Hat sich das Verkehrsaufkommen in Sachsenhausen durch die Mainkai-Öffnung erhöht?
Welche Probleme gibt es bei der Nutzung der Mainkai-Flächen?
Gibt es Alternativen zur Mainkai-Öffnung?
War es vor der Mainkai-Öffnung angenehm und sicher in Sachsenhausen Fahrrad zu fahren?
Es ist kein Geheimnis, dass viele Bereiche von Sachsenhausen (z.B. Kennedyallee, Schweizer Straße, Darmstädter Landstraße, Mörfelder Landstraße) schon seit Jahren tagtäglich mit Autostaus zu kämpfen haben. Hier war es auch in der Zeit vor der Mainkai-Öffnung kein Vergnügen, mit dem Fahrrad zu fahren. Deswegen sind u.a. die Schweizer Straße und Mörfelder Landstraße als zeitnah fahrradfreundlich umzugestaltende Straßen in den Koalitionsantrag (NR 895/2019) zum Radentscheid aufgenommen worden. Es soll einen städtebaulichen Wettbewerb geben, interessante Ansätze dazu waren schon im Deutschen Architekturmuseum zu sehen.
Bestehen die Verkehrsprobleme durch Schleichverkehr am Sachsenhäuser Berg erst seit der Mainkai-Öffnung?
Nein. Es gibt bereits seit 2011 die “Initiative zur Verkehrsberuhigung am Sachsenhäuser Berg”. Dort heißt es: “Seit Jahren wird von den Anwohnern des Schützenhüttenwegs, der Schafhofswege und des Letzten-. Großen- und Mittleren Hasenpfads gefordert, den ordnungswidrigen Durchgangsverkehr ab der Darmstädter Landstraße durch den Schützenhüttenweg in Richtung Norden/Innenstadt zu unterbinden. Jeden Tag benutzen hunderte von Autofahrer diesen Schleichweg durch die Anliegerstraßen in Richtung Innenstadt. Offensichtlich billigt das Straßenverkehrsamt diese permanenten Ordnungswidrigkeiten. Es wird gefordert, dass die Stadt Frankfurt hier Maßnahmen ergreift, den Durchgangsverkehr durch den Schützenhüttenweg und die Anliegerstraßen am Sachsenhäuser Berg zu unterbinden. Bei der Einfahrt von der Darmstädter Landstrasse in den Schützenhüttenweg passiert jedes vierte Fahrzeug die Ampel bei Rot.”
Wie man u.a. an diesem Beispiel sehen kann, gab es schon vor der Mainkai-Öffnung in Sachsenhausen größere Probleme mit einigen Autofahrer*innen, die sich nicht an die Verkehrsregeln halten.
Erhöhen rücksichtslose Verkehrsteilnehmer*innen das Unfallrisiko?
Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, die sich nicht an die Verkehrsregeln halten, gefährden andere, wenn sie sich nicht an die Verkehrsregeln halten. Die logische Konsequenz bei diesem Problem ist also die Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung, die die schwächeren Verkehrsteilnehmer*innen schützen soll, durch die Polizei einzufordern. Es reicht also nicht aus, dass die Fahrzeuge mitsamt der Fahrer*innen, von denen sich einige über Verkehrsregeln hinwegsetzen und andere in Gefahr bringen, andere Strecken in der auch sonst vollen Stadt nutzen sollen und folglich einige Straßen weiter schwächere gefährden. Für die Eltern ist es unerheblich in welcher Straße ihr Kind überfahren wird. Ziel sollte es stattdessen sein, diese Unfälle ganz zu vermeiden. Hier würden auch, wie z.B. in London, deutlich strengere Vorschriften für LKW – einschließlich mehr Kontrollen – im gesamten Stadtgebiet helfen.
Wann kommen Radwege auf der Garten- und Walter-Kolb-Strasse?
Stehen z.B. Handwerksbetriebe durch die geänderte Verkehrsregelung im Stau?
Auch für Handwerksbetriebe ist Stau ein Problem, welches nicht erst seit der Mainkai-Öffnung besteht. Zu dieser Thematik hat der beispielsweise der Radentscheid Frankfurt Anfang November 2019 einen ausführlichen offenen Brief formuliert, da es unabhängig von der Mainkai-Öffnung immer wieder Kritik an den geplanten Radwegen gibt, sobald diese Platz auf Kosten des Autoverkehrs beanspruchen. Kurzfassung: Radverkehr und Wirtschaft gehören zusammen und sind keine Konkurrenten auf der Straße. Für Handwerksbetriebe gilt das selbe wie für andere Verkehrsteilnehmer*innen, die ohne Blaulicht unterwegs sind: In der kurzzeitigen Umstellungsphase wird es zu etwas intensiveren Staus kommen, diese legen sich aber erfahrungsgemäßig zeitnah.
Wie kann man den schon länger bestehenden Autostau langfristig in den Griff bekommen?
Wo soll der Platz, z.B. für Lieferzonen, herkommen?
Auch beim Thema Lieferzonen funktioniert das Prinzip “wasch mich, aber mach mich nicht nass” nicht: Die Stadt Frankfurt ist bereits sehr dicht besiedelt, daher müssen auch hier bestehende Flächen (z.B. aktuell für privat abgestellte KFZ genutzte Parkplätze) umgewidmet werden. In einer Stadt mit der natürlich begrenzten Ressource “Platz” ist die endlose Steigerung von platzmäßig ineffizienten Fahrzeugen nicht möglich. Eine “Alternative“ wäre höchstens, wie z.B. in Essen, bewohnte Wohnhäuser abreißen zu lassen um die angrenzende Hauptstraße entlüften zu können.
Es ist sinnvoll sich alleine als Stadtteil mit Verkehrsthemen zu beschäftigen?
Nein. Die einzelnen Stadtteile sollten nicht versuchen sich gegenseitig den (Kraft)Verkehr zuzuschieben, den sie vor der eigenen Haustür nicht haben möchten. Da aktuell alle Stadtteile an sich das selbe Ziel verfolgen, wird dadurch das nur gemeinsam erreichbare Ziel sichtbar: die Verkehrswende.
Wäre die Wiedereröffnung des Mainkais für den Kraftverkehr die Lösung?
Die Verkehrs- und Umweltverbände setzen mit ihren Forderungen genau hier an: Neue und gute Radwege sollen mehr Leute aufs Fahrrad locken, die bisher z.B. Auto fahren. Gleichzeitig müssen mehr Lieferzonen ausgewiesen und von privaten Autos freigehalten werden. Auch der Ausbau von ÖPNV, Carsharing und Leihfahrrädern sind Bestandteile der notwendigen Verkehrswende. Dabei sind die zwischen Radentscheid und der Koalition vereinbarten Ziele explizit nur ein Anfang.
Lässt sich der starke innerstädtische Kraftverkehr durch einen günstigeren ÖPNV oder höhere Parkgebühren in den Griff bekommen?
Ein günstigerer ÖPNV ist sicherlich wünschenswert, ändert aber nichts an der oft mangelhaften Anbindung und Taktung. Gerade im Hinblick auf ländliche Gebiete ist der ÖPNV heute oftmals nicht konkurrenzfähig, sodass die Pendlerinnen und Pendler lieber auf das Auto setzen. Insofern müsste hier parallel zur Kostenreduzierung ein massiver Ausbau stattfinden.
Kann man den „überflüssigen“ Kraftverkehr ohne restrikte Maßnahmen aus dem gesamten Stadtgebiet verdrängen?
Helfen Beleidigungen in einer Diskussion weiter?
Sind Momentaufnahmen in Form von Bildern aussagekräftig?
Wie verlief die Sperrung der Zeil für den Kraftverkehr?
Genau die gleichen Diskussionen über den verlagerten Verkehr, die „ungenutzte“ Fläche der Zeil und den Untergang des lokalen Einzelhandels, damals sogar mit gewalttätigen Ausschreitungen, gab es bereits 1973 bei der Umwidmung der Zeil in eine Fußgängerzone. Die damals wichtige Verkehrsstrecke Zeil/Hauptwache/Opernplatz als Hauptverkehrsstraße kann sich heute niemand mehr vorstellen. Die Zeil zählt inzwischen mit rund 15.000 zu Fuß Gehenden pro Stunde zu den am stärksten frequentierten Einkaufsstraßen Deutschlands. Seit etwa 30 Jahren sinkt auch der Kraftverkehrsanteil im Frankfurter Innenstadtbereich kontinuierlich. Ein Grund dafür dürfte auch die Öffnung der Zeil für zu Fuß Gehende sein.