In Europa werden vielerorts Coronamaßnahmen gelockert, die Ansteckungsgefahr ist jedoch noch lange nicht gebannt und Abstandsregeln gelten weiterhin. Auch in Frankfurt macht sich die langsame Rückkehr des Alltags in der Stadt bemerkbar – unter anderem durch die Rückkehr der Blechlawine, die sich morgens und abends durch unsere Straßen schiebt. Allerdings ist zu befürchten, dass der motorisierte Verkehr sogar noch über sein hohes Maß in vor-Corona-Zeiten hinaus anwachsen wird: Derzeit steigen viele ursprüngliche ÖPNV-Nutzer*innen auf das Auto um, um ihre Wege in die und in der Stadt zurückzulegen, da sie sich von ihrem individuellen Transportmittel einen höheren Ansteckungsschutz erhoffen.
Das Fahrrad, das individuelle Transportmittel für das besondere Plus an Gesundheit, wird jedoch von Seiten der Stadt Frankfurt weiterhin nicht ausreichend gefördert. Dabei hat es sich während des Lockdowns bewährt und auf den autoarmen Straßen großer Beliebtheit erfreut. Ein Ausbau der Fahrradinfrastruktur ist gerade jetzt unabdingbar für die Lebensqualität in den Ballungsgebieten sowie für das Einschlagen einer klimafreundlichen Mobilitätspolitik – und sei es erst einmal nur in vorläufiger Umsetzung. Auf breiten, geschützten Radwegen wird auch für diejenigen das Radfahren attraktiv, die sich im Stadtverkehr auf zwei Rädern bisher unsicher gefühlt haben, sowie für die, denen die Abstände auf schmalen Standardradwegen derzeit zu klein sind.
Ohne einen entsprechenden und unmittelbaren Richtungswechsel drohen Frankfurt Staus, die die Rush Hour vor Corona in den Schatten stellen werden. Eine signifikante Erhöhung des Lärmniveaus sowie eine erneute Verschlechterung der Luftqualität sind die direkten Folgen. Eine attraktive Fahrradinfrastruktur hingehen würde Lärm und Emissionen vermindern sowie für ein Mehr an Bewegung der Bürger*innen sorgen; sie wäre also ein Gewinn für alle Beteiligten.
Um diesen Richtungswechsel mit Nachdruck einzufordern, haben sich ADFC Frankfurt, Radentscheid Frankfurt, VCD Regionalgruppe Rhein-Main, Extinction Rebellion und Transition Town Frankfurt mit Greenpeace Frankfurt zusammengetan, um am 23.05.2020 den von Greenpeace Deutschland ausgerufenen Popup Bikelane-Aktionstag mit Leben zu füllen. Zwischen 14:30 und 16:30 haben wir vom Messevorplatz, vorbei am Hammering Man stadteinwärts bis zum Platz der Einheit den rechten von drei Fahrstreifen für den Autoverkehr gesperrt und ihn dem Radverkehr zur Verfügung gestellt. Wie auch bei unserer Popup Bikelane am 23.04.2020 auf der Untermainbrücke wurde das erweiterte Platzangebot von den Radfahrenden dankbar angenommen – insbesondere von denjenigen, die diese Strecke im Berufsverkehr radeln und somit die sonst schmalen Radwege und beengte Situationen kennen. Anfängliche Überraschung wich einem „so sollte es immer sein!“-Gefühl und das Feedback war durchweg positiv.
Wir haben zum zweiten Mal innerhalb von vier Wochen gezeigt, dass und wie es geht, kurzfristig eine sichere und ansprechende Fahrradinfrastruktur einzurichten. Nun sind Verkehrsdezernat und Römerkoalition am Zug. Wird sich Frankfurt zum Wohle seiner Bürgerinnen und Bürger ein Beispiel an Berlin, Bogotá, Brüssel, Paris und London nehmen? Oder will man sich darauf berufen, dass man ja keine Hauptstadt ist und somit auch kein Vorbild in Sachen Verkehrssicherheit, klimafreundlicher Mobilität und Lärmminderung sein müsse? Die IAA wird nicht mehr in Frankfurt stattfinden – lasst uns alle darauf hinarbeiten, dass unsere Stadt auch insgesamt einen Wandel von einer Auto- hin zu einer Fahrradstadt vollziehen wird. Der Moment, diesen Wandel einzuleiten, ist jetzt!