In grauer Vorzeit, im Jahr 2018, ist der Radentscheid Frankfurt gestartet, um unsere Stadt schöner, lebenswerter und nachhaltiger zu machen. Seitdem ist viel passiert – und neben all den anderen verrückten Dingen, die dieses Jahr für uns bereit gehalten hat, scheint der Radverkehr in Frankfurt fast nebensächlich. Und doch war dieses Jahr ein Wendepunkt für das Radfahren in Frankfurt. Nachdem 2019 von Verhandlungen und einem langen Hin und Her geprägt war, an dessen Ende der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung stand – “Fahrradstadt Frankfurt am Main” –, ging es dieses Jahr so richtig los mit der Umsetzung der Radentscheid-Forderungen. Und auch wenn noch Vieles besser werden kann: Ab und zu muss man auch mal feiern!
Was haben wir gemacht?
Der Radentscheid hat, meistens im Verbund mit weiteren Initiativen und trotz der widrigen Umstände in diesem Jahr viele Aktionen auf die Beine gestellt, die immer wieder gezeigt haben, wie wir ein besseres Frankfurt gestalten können: kinderfreundlicher, nachhaltiger, sicherer, grüner, lebenswerter! Wir haben auf Probleme aufmerksam gemacht und gleichzeitig gezeigt, wie es besser gehen kann.
- NixNOx / 31. Januar: Wegen drohender Fahrverbote und hoher Belastungen an Hauptverkehrsstraßen haben wir, gemeinsam mit vielen Partnern im Frankfurter Klimabündnis, die Friedberger Landstraße gesperrt. So haben wir darauf aufmerksam gemacht, wie sehr unsere autozentrierte Planung die Lebensqualität vieler Frankfurter:innen massiv einschränkt.
- Mainkai-Besetzung / Vorstellung Frankfurter Fahrradstraße / 27. Mai: Während des Sommers haben wir die Sperrung des Mainkais auch genutzt, um unser eigenes Konzept für die “Frankfurter Fahrradstraße” vorzustellen. Viele der Ideen sind inzwischen in Planungen der Stadt, z.B. zum Oeder Weg, aufgegriffen worden.
- Pop-Up-Bikelanes / 23. April, 23. Mai, 28. Juni: Dreimal haben wir diesen Sommer, gemeinsam u.a. mit Greenpeace und anderen Organisationen, gezeigt, wie einfach es ist, sichere Fahrspuren auf Hauptverkehrsstraßen einzurichten. Das Highlight war definitiv die Umfahrung des gesamten City- und Anlagenrings!
- Kidical Masses 2020 / 23. August, 20. September: Aufgrund der Corona-Situation konnten wir leider nicht alle geplanten Kidical-Mass-Termine durchführen. Zweimal konnten wir aber doch auf die Straße und haben wieder gezeigt, wie wichtig sichere Straßen gerade für Kinder sind. Und wir hatten auch noch ganz viel Spaß dabei!
- Bike Night / 5. September: Wir danken dem ADFC Frankfurt für die Planung und Durchführung der Bike Night, einem festen Termin im Frankfurter Fahrradkalender. Trotz widriger Umstände konnte die Bike Night mit ca. 2.000 Teilnehmenden stattfinden; wir freuen uns schon auf nächstes Jahr!
- Parking Day / 19. September: Der Radentscheid hat sich wieder am Parking Day Frankfurt beteiligt und dabei gezeigt, wie viel Platz auf Frankfurts Straßen und Plätzen für parkende Autos geopfert wird.
- Ride of Silence / 26. September & Gedenkfahrt / 5. Dezember: aus leider traurigem Anlass mussten wir auch dieses Jahr wieder einen Ride of Silence veranstalten, um der im Straßenverkehr getöteten und verletzten Radfahrenden zu gedenken. Wegen eines besonders schlimmen Unfalls an der Oskar-von-Miller-Straße, bei dem ein Radfahrer und ein Fußgänger durch einen Raser ums Leben gekommen sind, gab es noch dazu eine besondere Gedenkfahrt zur Unfallstelle.
Wir waren also nicht untätig, so gut es eben in diesem besonderen Jahr ging. Wir haben durch öffentliche Aktionen auf wichtige Themen aufmerksam gemacht, und wir haben uns der kritischen Diskussion unserer Ideen gestellt. So wollen wir auch nächstes Jahr weitermachen und die Umsetzung des Radentscheid-Beschlusses aktiv mitgestalten und begleiten.
Was hat die Stadt gemacht?
Und unser Engagement hat Wirkung gezeigt! Die Stadtverwaltung hat viele Maßnahmen aus dem Radentscheid-Paket umgesetzt; die Politik führt intensive Debatten, wie es weitergehen soll. Und darüber hinaus wird die Verwaltung auch selbstständig tätig: Viele Maßnahmen, die nicht von uns verhandelt worden sind, werden jetzt umgesetzt. Es ist noch weiter Weg, bis Frankfurt wirklich zur Fahrradstadt wird, aber wir sagen: die Richtung stimmt.
Für uns ist das klare Highlight dieses Jahr die Umgestaltung der Achse Konrad-Adenauer-Straße / Kurt-Schumacher-Straße / Friedberger Landstraße. Zwischen Alter Brücke und Friedberger Platz kann man sehen, wie Radwege in Frankfurt bald überall aussehen werden: farbig markiert, komfortabel breit, sodass man bequem überholen kann, und nach Möglichkeit baulich getrennt, damit Unfälle vermieden werden und die Radwege auch nicht als Parkplätze missbraucht werden. Wir hoffen, dass es euch genauso viel Spaß macht, dort zu fahren, wie uns. Und wir hoffen, dass nächstes Jahr noch mehr solcher Radwege in Frankfurt entstehen.
Und kurz vor dem Jahreswechsel haben wir noch ganz unerwartet ein Weihnachtsgeschenk bekommen: Die Hochstraße, Teil des Cityrings, wurde fahrradfreundlich gestaltet, mit einem durchgehenden und baulich abgetrennten Fahrradweg; zwar noch ein bisschen schmal, aber auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung im Vergleich zum Altzustand. Die Hochstraße war auch ein Teil unserer Pop-Up-Radweg-Aktion im Sommer, und City- und Anlagenring sollen gemäß Radentscheid-Beschluss komplett umgestaltet werden. Die Hochstraße ist schon mal ein guter Anfang!
Und darüber hinaus sind noch ganz viele kleine Dinge passiert, die überhaupt nicht Teil des Radentscheid-Maßnahmenpakets waren. An zahlreichen Kreuzungen wurden die Markierungen erweitert und Poller aufgestellt, um Falschparken zu verhindern, und es wurden unzählige neue Stellplätze für Fahrräder geschaffen. Auch wenn wir hier an der einen oder anderen Stell noch etwas auszusetzen haben, so zeigt es doch, dass wir unserem eigentlichen Ziel näher kommen: Wir wollten nicht nur ein paar Radwege auf die Frankfurter Straßen bringen, sondern einen Mentalitätswandel in der Frankfurt Stadtgesellschaft, Verwaltung und Politik anregen.
Ein weiteres Beispiel für die Eigeninitiative der Verwaltung ist schließlich die Umgestaltung der Schloßstraße. Dort wurde der vorhandene Schutzstreifen entfernt, stattdessen wurden Sharrows auf der Straße sowie ein neuartiges Verkehrszeichen angebracht: “Fahrräder (und andere einspurige Fahrzeuge) überholen verboten.” Gleichzeitig wurde die gefährliche Türzone gekennzeichnet, damit sie nicht mehr befahren wird. Auch wenn wir uns eigentlich über solche Dinge freuen, so müssen wir doch sagen, dass in der Schloßstraße noch kräftig nachgearbeitet werden muss – uns erreichen zahlreiche Beschwerden und Nachfragen hierzu. Aber so ist das mit neuen Ideen; Sie müssen sich eben erst etablieren, und es gibt auch Wachstumsschmerzen.
Sind wir zufrieden?
Im Großen und Ganzen können wir sagen: ja! Nach wie vor gibt es viel zu tun, und wir werden auf jeden Fall dran bleiben! Aber wir nehmen auch wahr, dass es einen echten Mentalitätswechsel in Verwaltung und Politik gibt. Fahrradthemen werden mehr und mehr mitgedacht, zahlreiche Maßnahmen werden umgesetzt. Wir wünschen uns, dass es in den nächsten Jahren mit dieser Mentalität auch so weitergeht.
Wie geht es weiter?
2020 war aus vielen Gründen ein besonderes Jahr. Wir hoffen, dass die Situation sich im nächsten Jahr wieder entspannt, aber wissen können wir es natürlich nicht. Wir drücken also fest die Daumen.
Für Frankfurt wird das nächste Jahr besonder spannend: Im März stehen die nächsten Kommunalwahlen an. Der Radentscheid wird die Wahlprogramme der Parteien genau anschauen im Bezug auf nachhaltige Mobilität.
Aber nicht nur die Kommunalwahlen rücken in unseren Fokus, auch andere große Diskussionen werden wir führen müssen. Der Mainkai wird sicher schon im Wahlkampf und auch darüber hinaus Thema bleiben, genauso wie die schon angekündigten Umbauten am Oeder Weg und Straßen, die noch auf dem Plan stehen, z.B. die Schweizer Straße.
Langweilig wird uns also nicht werden; es bleibt aufregend!
Der Radentscheid Frankfurt bedankt sich ganz herzlich bei:
- Allen Aktiven beim Radentscheid – ohne euch wären die Sitzungen langweilig und wir würden nix gebacken kriegen. Wegen Corona haben wir in diesem Jahr digital getagt und werden das wohl auch noch etwas länger so handhaben – trotzdem sind immer viele Leute dabei und die Stimmung ist super!
- Allen Helfer:innen (Ordner:innen, Corker:innen, Aufbau, Abbau, usw.) bei den diesjährigen Veranstaltungen – ohne euch hätten wir die Events niemals auf die Beine stellen können. Dafür danken wir euch, und freuen uns schon auf eure Hilfe nächstes Jahr!
- Den aktiven – und insbesondere den neuen – Mitarbeitenden in der Stadtverwaltung (Straßenverkehrsamt, ASE, Dezernat): Es passiert gerade sehr viel, auch Dinge, die nicht im Beschluss stehen. Darüber freuen wir uns, und wir freuen uns, dass unsere Ideen anscheinend gut genug sind, um häufig von der Verwaltung aufgegriffen zu werden.
Wir wünschen euch allen einen guten Rutsch und ein gesundes und gutes Jahr 2021!