Fahrradfreundliche Nebenstraßen
Oben auf dem Bild sieht man den Oeder Weg, wie er jetzt aussieht. Er ist noch weit davon entfernt, für Radverkehr geeignet zu sein. Das wollen wir ändern!
Vor kurzem hat die Stadt Pläne zum Oeder Weg und zum Grüneburgweg und Kettenhofweg vorgestellt. Diese Straßen sollen zu “fahrradfreundlichen Nebenstraßen” umgestaltet werden. Zwar stimmen die meisten Frankfurter:innen den Plänen zu und freuen sich auf die Umgestaltungen, aber vereinzelt haben die Pläne in der Presse und bei den dortigen Anwohner:innen und Gewerbetreibenden heftige Gegenreaktionen ausgelöst, die wir auch den Diskussion in den Ortsbeiräten mitbekommen haben. Dabei gibt es unserer Meinung nach viele Missverständnisse und Übertreibungen, und die Pläne wurden teils falsch dargestellt. Deshalb wollen wir versuchen, durch Antworten auf die häufigsten Fragen Klarheit zu schaffen.
So sind die Fakten
Die aktuelle Situation ist für alle Nutzer:innen der Straßen nicht akzeptabel!
Dazu kommen die immer größer werdenden Auswirkungen der Klimakatastrophe. Um dieser wirklich wirksam begegnen zu können, müssen wir unsere Städte umgestalten und dringend Platz auf den Straßen und Plätzen umverteilen: hin zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln und auch mehr Grün: Bäume, Hecken, Sträucher!
Eine Umgestaltung ist vielleicht kurzfristig unangenehm, weil wir uns alle an den neuen Zustand gewöhnen müssen. Langfristig ist sie die einzige Möglichkeit: so wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben.
Die Anwohner:innen, Gewerbetreibenden und die Öffentlichkeit wurde über die Pläne informiert.
Welche Straßen umgebaut werden sollen, steht spätestens seit dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung “Fahrradstadt Frankfurt am Main” fest, in dem die Straßen konkret benannt worden sind. Dieser Beschluss wurde in der StVV und in fast allen Ortsbeiräten diskutiert, auch die Presse berichtete ausführlich darüber.
Bereits im März 2020 stellte der Radentscheid selbst sein Konzept zur “Frankfurter Fahrradstraße” vor, in dem für die im Beschluss der StVV genannten Nebenstraßen Planungen dargestellt werden. Wir stellten das Konzept durch eine Veranstaltung auf dem damals noch für Fuß- und Radverkehr geöffneten Mainkai vor und veröffentlichten die Pläne auch auf unserer Website, wo sie nach wie vor öffentlich einsehbar sind.
Auch die Stadtverwaltung veröffentlichte ihre Pläne im November 2020 auf einer Website, mit Medienberichten, und mit der expliziten Bitte um Rückmeldungen. Im Oeder Weg wurden die Planungen mit Schautafeln gezeigt, so soll es jetzt auch für andere Straßen passieren. Auch in den Ortsbeiräten werden die Planungen diskutiert; und sie sind ja auch noch nicht final, sondern wurden vorgestellt, mit der Erwartung, dass sich Dinge ändern. Die Planungen entstehen also unter Einbindung der Betroffenen und der Öffentlichkeit.
Auf fahrradfreundlichen Nebenstraßen dürfen weiterhin Autos fahren.
Wir möchten lediglich, dass der Durchgangsverkehr an Autos verringert wird; d.h. Fahrten, die überhaupt kein Ziel auf der jeweiligen Straße haben. So soll unnötiger Autoverkehr vermieden werden – die Menge der Autos sinkt. Darauf richten sich einige der vorgeschlagenen Maßnahmen, wie z.B. die sogenannten “Modalfilter” am Oeder Weg.
Dabei sind für Notfälle (z.B. Rettungsdienst, Feuerwehr) immer Möglichkeiten gegeben, dort trotzdem durchzufahren, z.B. durch herausnehmbare Poller.
In der aktuellen Debatte um fahrradfreundliche Nebenstraßen und die Frankfurter Verkehrspolitik generell werden verschiedene Begriffe durcheinander gebracht; insbesondere “autofrei” und “autoarm” werden häufig falsch verwendet. Fahrradfreundliche Nebenstraßen sind grundsätzlich weiterhin für KFZ befahrbar, aber manchmal müssen dafür eben Umwege gemacht werden.
Übrigens: das Miteinander von Radfahrenden und Autofahrer:innen bedeutet nicht, dass Letztere langsamer voran kommen. Studien zeigen, dass Radverkehr Autos nur unwesentlich ausbremst.
Ältere Menschen und Menschen mit Bewegungseinschränkungen werden durch die Umgestaltung bevorteilt und nicht benachteiligt.
Nach der Umgestaltung kann man sogar besser große Einkäufe erledigen.
Übrigens: etwa ein Viertel (26,3%) aller Haushalte in Frankfurt besitzt überhaupt kein Auto. Und auch diese Menschen schaffen es, sich mit allen notwendigen Dingen zu versorgen.
Anwohner:innen haben kein Recht auf einen kostenfreien Parkplatz auf der Straße vor der eigenen Haustür.
Außerdem: wir setzen uns dafür ein, dass weniger Menschen ein Auto benötigen und brauchen und sorgen also dafür, dass Parkplätze frei werden. Die Schuld für den mangelnden Parkraum liegt bei denen, die jahrzehntelang Straßen so geplant haben, dass man sie fast nur mit dem Auto benutzen kann.
Kunden von Geschäften finden nach der Umgestaltung leichter Parkplätze.
Aktuell gibt es auf den Nebenstraßen zwar viele Parkplätze, aber diese sind häufig langfristig belegt (z.B. durch Angestellte der Geschäfte und Restaurants) und stehen damit potenziellen Kund:innen überhaupt nicht zur Verfügung.
In vielen Untersuchungen zeigt sich immer wieder, dass Ladenbesitzer:innen regelmäßig den Anteil ihrer Kund:innen, die mit dem Auto kommen, überschätzen. Kurzzeitparkplätze sorgen für zufriedene Kund:innen mit dem Auto, und eine fahrrad- und fußfreundliche Umgestaltung fördert andere Kund:innen, die Sie vielleicht unterschätzen.
Geschäfte können auch nach der Umgestaltung weiterhin problemlos bzw. sogar besser beliefert werden.
Nach einer fahrradfreundlichen Umgestaltung steigt der Umsatz bei Geschäften und Restaurants.
Durch eine fahrradfreundliche Umgestaltung werden die umliegenden Wohnstraßen nicht belastet.
Dieses Phänomen nennt man “traffic evaporation”, zu Deutsch etwa “Verkehrsverdunstung”. Es ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien belegt. Das Bild der Verdunstung und damit der Vergleich mit Wasser passt sehr gut: Verkehr nimmt wie Wasser immer die Form an, die man ihm anbietet. Viel Platz für Autos führt zu vielen Autos, viel Platz für Fuß und Fahrrad führt zu vielen Radfahrenden und Fußgänger:innen.
Kurzfristig kann es sicherlich zu Verdrängungseffekten kommen, wenn die Menschen sich direkt nach der Umgestaltung noch nicht an die neuen Bedingungen gewöhnt haben und dann spontan in Seitenstraßen ausweichen. Langfristig pendelt sich der Verkehr aber dann ein.
Durch die Umgestaltung bekommt das Fahrrad (und der Fußverkehr) endlich die Stellung, die es verdient.
Damit ein Bürgersteig gut benutzbar ist, und man sich auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen sicher überholen kann, muss er mindestens 2 Meter breit sein. Laut neuer StVO müssen Radfahrende innerorts mit mindestens 1,5 m Abstand überholt werden, und sollen mindestens 1 m Abstand von parkenden Autos halten, um die Dooring-Zone zu vermeiden. Das alles braucht also viel Platz. Ein Auto, ob parkend oder fahrend, ist mindestens 2 m breit. Wer fordert, in Frankfurt sichere Geh- und Radwege zu schaffen, ohne Parkplätze oder KFZ-Spuren wegfallen zu lassen, kann entweder nicht rechnen oder will Häuser abreißen.
Die Mobilitätsplanung der letzten Jahrzehnte hat grundsätzlich den motorisierten Verkehr, insbesondere das private Auto, übervorteilt. Das führt zu vielen schlechten Entwicklungen in der Stadt: Lärm, Abgase, Platzverbrauch, CO2-Emissionen. Die Umgestaltung korrigiert diese Fehlentwicklung, hin zu umwelt- und menschenfreundlichen Mobilitätsarten. Eine Straßengestaltung, die alle Verkehrsarten gleich behandelt, ist unmöglich, und endet meist einfach in einem Beibehalten der Vorteile für das Auto. Die Straßengestaltung muss die Verkehrsarten bevorzugen, die für unsere Stadtgesellschaft und die Umwelt am besten sind. Und das sind: Fahrrad, Fuß und ÖPNV.